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Alternative Textilien – Äpfel und Milch statt Wolle und Leder?

Gute Schuhe sind aus Leder und gute Klamotten aus Wolle. Das war lange Gesetz. Irgendwann schlich sich dann noch Plastik dazu. Aber Zeiten ändern sich. Wir möchten uns einige alternative Textilien anschauen, in denen nachhaltiges Potenzial schlummert und verraten, welche Fair Fashion Labels diese Alternativen schon einsetzen und wo Du sie bekommst.

9 alternative Textilien für nachhaltige Kleidung

Eines vorweg. Baumwolle ist kein schlechter Rohstoff, leider wächst sie nicht bei uns und verbraucht Unmengen an Wasser, Dünger und Pflanzenschutzmittel. Auch Leder ist oft kein Abfallprodukt aus der Fleischproduktion und die Tiere werden unter noch katastrophalen Bedingungen gehalten, zudem kommen beim Gerben oft umweltschädliche Chemikalien zum Einsatz. Alternative Textilien können einige dieser Probleme lösen. Besonders kreativ bei der Wahl von alternativen Textilien sind die Hersteller von nachhaltigen Sneakern.

Wenn wir im Folgenden über regionale Rohstoffe sprechen, dann ist das theoretisch zu verstehen, da nämlich, selbst bei nachhaltigen Modelabels, selten in Deutschland produziert wird, sollten wir „regional“ anders verstehen. Natürlich ist es sinnvoll, den Rohstoff vor der Fabrik in zum Beispiel Portugal anzubauen, statt Baumwolle aus Afrika zu importieren. Und wer weiß, vielleicht wird Mode von morgen ja zunehmend wieder in Deutschland produziert – Dass das wirtschaftlich ist, zeigen Labels wie Trigema und Vaude ja bereits.

Wir möchten hier ausschließlich Naturmaterialien vorstellen. Auch recyceltes Polyester hinterlässt Mikroplastik bei jeder Wäsche, deshalb raten wir bei Kleidung davon ab. Wir empfehlen diesen Rohstoff zwar für Sneaker, Rucksäcke und auch Funktionskleidung, aber man sollte so wenig wie möglich davon im Kleiderschrank haben.

Hanf – Das Comeback der ältesten Nutzpflanze

Hanf Textilien

Hanfklamotten waren der Inbegriff des 80er-Jahre Klischee Ökos. Tatsächlich ist Hanf eine der ältesten Nutzpflanzen und blickt auf eine 12.000-jährige Geschichte zurück. Irgendwann hat unsere wohlstandsverwöhnte Gesellschaft offensichtlich vergessen, dass man Hanf nicht nur rauchen kann. Aktuell feiert Hanf sein Comeback nicht nur in Form von CBD Produkten – auch in Kleiderschränken. Irgendwie ist es also komisch, dass wir diesen uralten Rohstoff heute zu den alternativen Textilien zählen, aber ok.

Auch wenn Hanf seinen Ursprung in China hat, kann er fast überall auf der Welt angebaut werden – Auch in Deutschland gibt es große Hanfplantagen aus denen nicht nur CDB Produkte, sondern auch Dämmmaterial und Innenverkleidungen für die Automobilindustrie stammen. Neben der Regionalität braucht Hand deutlich weniger Wasser als Baumwolle (80 % um Genau zu sein), kommt von Natur aus ohne Pestizide und Herbizide aus und gibt Nährstoffe an den Boden ab, statt ihn zu entziehen.

Hessnatur* verwendet Hanf in einigen Kleidungsstücken und hat auch eine 100 % Hanf Kollektion. Bei HempAge steckt es ja sogar im Namen (erhältlich im Avocadostore*). Auch Tropicfeel setzt bei seiner kürzlich gelaunchten Klamottenkollektion auf Hanf.

Holz – Daraus besteht Tencel in der Mode

Lenzing Tencel Faser
Copyright:Lenzing AG; Fotograf:Markus Renner

Tencel™ ist DER Trend bei nachhaltiger Mode – Das Logo finden wir mittlerweile auf vielen Kleidungsstücken und Heimtextilien. Klar, schließlich hat er herausragend gute Eigenschaften – Weich wie Seide, Warm wie Wolle, atmungsaktiv wie Funktionswäsche und Allergikerfreundlich. Tencel™ ist ein Produkt der Lenzig AG aus Österreich. Das Garn aus Holz aus FSC bewirtschafteten und naturnahen Wäldern wird umweltschonend hergestellt und ist sogar biologisch abbaubar (Kleidung aus 100 % Tencel könntest Du also auf den Kompost werfen).

Tencel™ findest Du zum Beispiel bei folgenden Fair Fashion Labels: Patagonia, Armedangels, Living Crafts, Allbirds und vielen anderen. Aber auch konventionelle Marken, wie zum Beispiel Marc O´Polo, Bestseller und H&M sind auf die Holzfaser schon aufmerksam geworden.

Daraus besteht Tencel in der Mode:

Es gibt zwei verschiedene Tencel™ Fasern. Während Lycocell aus Eukalyptus gewonnen wird, besteht Tencel™ Modal aus Fasern der heimischen Rotbuche. Und so ist Modal deutlich nachhaltiger. Wijld zum Beispiel verwendet diese Faser für ihre Shirts. Kushel* stellt Handtücher, Decken und Bademäntel aus Rotbuchenholz her.

Ein fettes plus für die Umwelt ist die Wasserersparnis, denn Wälder müssen nicht bewässert werden und kommen ohne Dünger aus und auch Pestizide kommen deutlich seltener zum Einsatz als auf den riesigen Baumwollplantagen. So spart ein T-Shirt aus Holz 1000 Liter Wasser, 100ml Chemie und 600g CO2 und 75 % Anbaufläche im Vergleich zu einem Shirt aus Baumwolle ein (Quelle: Wijld.com)

Aber – und das gehört auch zur Wahrheit: Anders als Baumwolle ist eine regenerative Viskose Faser hochverarbeitet. Dieser Prozeß verbraucht natürlich nochmal Ressourcen, was den Nachhaltigkeitsfaktor etwas abschwächt – in der Summe überwiegen für uns aber die Vorteile.

Bambus – Schnellwachsende Wunderpflanze

Bambus

Das wollen wir extra erwähnen, da Bambus zur Familie der Gräser gehört und eben kein Holz ist. Ja, natürlich ist Bambus nicht regional – trotzdem ist er eine nachhaltige Alternative zur Baumwolle, die ja ebenfalls nicht bei uns angebaut wird. Bambus ist der am schnellsten wachsende Rohstoff der Welt (gerade mal 2 Jahre muss er wachsen, bis man in Ernten kann) In dieser Zeit bindet er ca. 10 Mal so viel CO2 wie ein Baum. Als Stoff verarbeitet ist er atmungsaktiv, antibakteriell, leicht und bequem. 

Life-Tree* verwendet zum Beispiel für einige seiner Shirts Bambus. Die Kollektion Bamboo von Continental Clothing* besteht zu 70 % aus Bambus und auch beim Green-Shirts* findest Du Shirts mit Bambus im Materialmix. Die Sneaker Marke Flamingos Life* verwendet Bambus für das Innenfutter.

Kork – Die Eiche als Klimaschützer

Korkeiche

Die Korkeiche wächst in Portugal, Spanien und in Teilen Nordafrikas. Was wir als Kork kennen, ist die Rinde dieses Baums – und das ist schon gleich ein wichtiger Aspekt in Sachen Klimaschutz, denn für Kork werden keine Bäume gefällt, sondern lediglich die Rinde „geerntet“. Eine geschälte Korkeiche nimmt viermal mehr CO₂ auf, als ungeschält, was die wirtschaftliche Nutzung noch spannender macht. In der Summe speichern Korkeichen 14 Mio. Tonnen CO₂. Ganz nebenher bieten diese Bäume 200 Arten einen Lebensraum und 100.000 Arbeitern eine Beschäftigung.

Als Material für Kleidung und Accessoires ist es leicht, elastisch und wasserabweisend – Das macht Kork zu einem tollen Material für Schuhe und Taschen. Ich selbst laufe seit einiger Zeit mit Sneakern aus Kork von Doghammer herum und bin rundum begeistert. Doghammer geht noch einen Schritt weiter und verwendet recycelten Kork, was in Sachen Nachhaltigkeit noch eine Schippe drauflegt. Das vegane Label Sperling* setzt bei seinen Rucksäcken, Geldbeuteln und Wallets ebenfalls auf Kork.

Apfelleder – Fruchtige Resteverwertung

Ich habe zum ersten Mal von Apfelleder im Rahmen der Crowdfunding-Kampagne für nachhaltige Sneaker von Komrads* gehört. Diese Sneaker sind mittlerweile im Handel und können fröhlich bestellt werden. Besonders cool ist, dass das Apfelleder auf Abfällen der Apfelsaftindustrie stammt – Heißt: Kerngehäuse und Schale. Zugegeben, es braucht noch 50 % recyceltes Plastik, dass daraus ein solider zu verarbeitender Rohstoff wird, aber dennoch ist das ein spannendes Material, das noch dazu in unseren Breiten gewonnen werden kann. Natürlich kann man daraus auch Taschen und andere Accessoires machen – Es ist eine vollwertige Alternative zu Leder.

 

Ananas  – Die Lederalternative aus der tropischen Frucht

Pinatex
Piñatex, CC BY-SA 4.0  via Wikimedia Commons

Pinatex® heißt die auch als Ananasleder bekannte Faser. Tatsächlich sind es auch hier die Blätter – genauer gesagt: Abfall, der bei der Ananasernte anfällt.  Ein großer Nachteil ist, dass bei der Herstellung der Faser auch ein auf Erdöl basierendes Harz verwendet wird, damit ist Pinatex nicht biologisch abbaubar. Trotzdem ist das Material aufgrund seiner Robustheit und weil es als Abfallprodukt eben keine zusätzlichen Ressourcen frisst, ein nachhaltiger Rohstoff. Hauptsächlich kommt Pinatex bei Taschen, Rucksäcken und Schuhen zum Einsatz. Zum Beispiel bei NAE Vegan Shoes.

Bananen – Regenwaldaufforstung und Rohstoffernte zugleich

bananatexRichtigerweise müssen wir von Bananenblättern sprechen. Bananatex® heißt das Leder aus den Blättern der Abacá Pflanze, die streng genommen gar keine Banane ist, sondern zur Familie der Hanfgewächse zählt. Die Früchte selbst sind nicht genießbar.

Richtig sympathisch wird das Material, wenn man betrachtet, dass die Abacá Pflanze in ehemaligen Palmölplantagen angebaut werden kann, so sonst nicht mehr viel wächst, weil der Boden durch Monokulturen schlicht kaputt gewirtschaftet wird. So haben wir hier also nicht nur ein nachhaltiges Naturmaterial, sondern noch dazu eines, dass die Wiederaufforstung des Regenwaldes unterstützt. 

Und wer hat es erfunden? Die Schweizer. Genauer gesagt: Das Taschen-Label Qwstion, die wir auch in unserer Bestenliste: nachhaltiger Rucksack aufgeführt haben. Also nur um Missverständnisse zu vermeiden: Natürlich wird die Pflanze schon viel länger Ostasien für zum Beispiel Taue, Teebeutel und Papier verarbeitet. Neu ist die Weiterentwicklung zu einem veganen sehr reißfesten Leder.

Kaffeesatz – Ausgetrunken und weiter weiterverarbeitet

kaffeesatz s-cafeWir wissen alle, dass Kaffee selbst ein echter Ressourcenfresser ist und keine gute Klimabilanz aufweisen kann. Umso wichtiger ist es, dass wir absolut alles davon nutzen. Eine recht neue Technologie macht aus Kaffeesatz alternative Textilien. Tatsächlich wird dafür der Kaffeesatz von Restaurants und Cafés eingesammelt – Daraus wird dann eine Faser mit herausragend guten Trageeigenschaften. Atmungsaktiv, geruchshemmend, trocknet schnell und hat einen natürlichen UV Schutz. Das Garn ist Bluesign zertifiziert, also das perfekte Material für Sport und nachhaltige Outdoor Kleidung. Leider kein vollständiges Naturmaterial, da auch recyceltes PET mit verarbeitet wird.

Die Idee hatte die taiwanesische Firma Singtex. S-Café heißt das Garn und wird aktuell auch nur in Taiwan mit Kaffeesatz auf Restaurants in und um Taipeh hergestellt. Täglich wird eine halbe Tonne Kaffeesatz vor dem Müll gerettet. Im Schnitt reicht der Kaffeesatz von 1 Tasse für 2-3 T-Shirts.  Aber prinzipiell kann der Recyclingprozess überall auf der Welt stattfinden – also auch direkt vor den Toren der jeweiligen Textilfabriken, was den CO2-Ausstoß deutlich verringert.

Besonders hervorheben wollen wir Coalatree* aus den USA, die beide ihren Schwerpunkt auf Kleidung aus Kaffeesatz gelegt haben.  Ecoalf setzt S-Café auch  bereits einigen Jacken ein.

Milch – Upcycling von Milchüberproduktion

milchfaserQmilk heißt die Technologie des deutschen Start-ups. Unglaublich vielseitig, etabliert ist die Marke schon bei Naturkosmetik, aber von Toilettenpapier (löst sich vollständig auf) bis zum biologisch abbaubaren Verpackungsmaterial lässt sich aus der Milchfaser alles machen. Und so auch Textilien.  Seidig weich, antibakteriell, Temperatur-regulierend und nimmt Feuchtigkeit hervorragend auf – also ein perfektes Material für Klamotten. Die Milch, die für die Faser verwendet wird, wird praktisch vor dem Müll gerettet. 2 Mio. Tonnen Milch werden jährlich, alleine in Deutschland weggeschüttet – Eine ganze Menge, die man sinnvoll verwenden kann. Und so wird auf Molkereiabfällen völlig Chemie-frei eine Textilfaser

Sogar als Veganer finde ich dieses Material großartig. Wenn unsere Gesellschaft schon Milch konsumiert, dann sollten wir so verantwortungsbewusst wie möglich mit dem Rohstoff umgehen. Die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten von Qmilk machen das Material zum Gamechanger für nachhaltigen Konsum.

Der deutsche Outdoorausrüster Vaude setzt Filz aus QMilk in seiner Green Shape Kollektion bereits ein. Wir hoffen, dass noch viele weitere Hersteller folgen, die auf „upgecycelte“ Milch setzen.

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