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Nachhaltige FahrrÀder. Wie nachhaltig sind Fahrradhersteller?

Es wird wohl niemand widersprechen, wenn wir sagen: Fahrrad fahren ist umweltfreundlicher als Autofahren. In der Stadt ist man auf 2 RĂ€dern sogar oft auch noch deutlich schneller. Aber wie sieht es mit der Herstellung aus? Wo wird ĂŒberhaupt produziert? LĂ€uft da alles fair ab? Wie transparent sind die Fahrradhersteller? Und gibt es ĂŒberhaupt nachhaltige FahrrĂ€der? Wir werfen einen Blick auf die Branche.

Gibt es ĂŒberhaupt nachhaltige FahrrĂ€der?

Ein Fahrrad ist schon etwas komplexer, als man auf den ersten Blick sieht. Viele einzelne Bauteile, die in allen Ecken der Welt produziert werden und lange Transportwege zurĂŒcklegen, machen die Bewertung der Nachhaltigkeit schwer. Die Rahmen kommen fast immer aus Taiwan, Shimano aus MarktfĂŒhrer bei Schaltung und Bremsen produziert in Japan, Malaysia und Singapur um nur mal die zwei Beispiele zu nennen.

FĂŒr den Transportweg spielt es also fast keine Rolle, ob die Endfertigung in Deutschland passiert oder ob das komplette Fahrrad irgendwo anders zusammengebaut wird. Bei letzterem steht aber die Frage der Arbeitsbedingungen im Raum und die wird oft leider nicht zufriedenstellend beantwortet. Noch schwieriger ist es, die Arbeitsbedingungen der Zulieferer zu bewerten. Wir können uns also hier nur an das Thema Nachhaltigkeit bei Fahrradherstellern annĂ€hern.

Wo kommen denn die FahrrÀder her?

Jahrelang konnte man das mit schnell Taiwan beantworten. Heute werden die meisten FahrrĂ€der in Europa aus Kambodscha importiert. Drei Fahrradfabriken (A&J, Smart Tech und SpeedTech), sind hier die Big Player. Zwar will man Produktions- und Arbeitsbedingungen verbessern, die Recherche der Zeit aus dem Jahr 2019 zeichnet enttĂ€uschenderweise ein anderes Bild. Die EU hatte Kambodscha 2001 Handelsvorteile eingerĂ€umt. Konkret bedeutete das zollfreie, unbegrenzte Einfuhr (Everything but Arms, EBA = Alles außer Waffen). GrundsĂ€tzlich wurde dieses Abkommen 2020 von der EU gekĂŒndigt, da man keine Entwicklung im Bereich Menschenrechte erkennen konnte.

Davon ausgenommen sind die drei oben erwĂ€hnten Fahrradfabriken. Diese sind auch weiterhin von dem Antidumping Zoll von 48,5 % befreit. Entsprechend verlegen gerade Fahrradhersteller ihre Produktion nach Kambodscha und chinesische Firmen grĂŒnden Fabriken, um den Zöllen zu entgehen. Fahrradhersteller berufen sich darauf, dass die EU die Arbeitsbedingungen fĂŒr diese Fabriken abnickt.

Wir sehen Kambodscha als Produktionsstandort trotzdem kritisch. Zwar halten wir den Standort bei FahrrĂ€dern in Bezug auf Nachhaltigkeit erst mal fĂŒr zweitrangig (ohnehin lange Transportwege innerhalb der Lieferkette), schließlich könnte man auch in Kambodscha fair produzieren.  Die Verschwiegenheit der Fahrradhersteller scheint unsere Zweifel leider zu bestĂ€tigen.

Fahrradhersteller und Nachhaltigkeit

VollstĂ€ndig nachhaltige FahrrĂ€der gibt es also nicht. Lange Transportwege, verzweigte Lieferkette, fehlende Transparenz. Die Branche muss hier dringend nachbessern und fĂŒr mehr Transparenz in der Lieferkette sorgen. Um sich zu orientieren, bleibt die Selbstauskunft der Hersteller – Und genau die möchten wir uns im folgenden genauer anschauen.

Es gibt mittlerweile wahnsinnig viele Fahrradmarken, wir können hier nicht alle besprechen und konzentrieren uns auf die grĂ¶ĂŸten / bekanntesten Hersteller und freuen uns natĂŒrlich ĂŒber einen Kommentar, wenn Du jemanden vermisst.

my Boo

Statt auf Carbon und Aluminium, die in der Herstellung sehr viel Energie benötigen, setzt man bei my Boo vollstĂ€ndig auf Bambus. Ein schnell nachwachsender Rohstoff mit herausragenden Eigenschaften. Bambus ist so robust, dass man daraus sogar Mountainbikes und CX Bikes bauen kann. Und ganz ehrlich: Es sieht einfach geil aus. Produziert wird in Ghana. Das bedeutet aktuell mehr als 60 faire ArbeitsplĂ€tze vor Ort. Weiterhin vergibt my Boo dort auch Schul-Stipendien (mittlerweile 300) und hat mit UNICEF zusammen das „Bike to School“ Programm ins Leben gerufen (mehr ĂŒber my Boo findest Du hier). Das klingt banal – ist es aber nicht. In Ghana mĂŒssen oft weite Strecken zur nĂ€chsten Schule zurĂŒckgelegt werden – da schafft ein ganz einfaches Fahrrad einen deutlich besseren Zugang zu Bildung und Chancengleichheit – ein echt nachhaltiges Engagement. My Boo fĂŒhrt Citybikes, Trekkingbikes, RennrĂ€der und sogar MTB und Cyclocross Bikes. NatĂŒrlich auch eine ordentliche Auswahl an E-Bikes.

→ myboo.de

My Esel

von Bambus zu heimischen Holzarten aus Österreich. Die My Esel Rahmen werden in Oberösterreich in Handarbeit hergestellt und sind damit ein europĂ€isches Produkt (Anbauteile ausgenommen). Die Verbindung verschiedener Holzarten ergibt einen extrem stabilen Rahmen, der in Sachen Robustheit und FlexibilitĂ€t mit Rennskiern vergleichbar ist und dabei leicht wie ein Carbon-Bike ist. Volle 5 Jahre Garantie gibt My Esel auf die Rahmen. Und hey – Sehen die Dinger nicht einfach nur geil aus?

Im Sortiment haben die Österreicher: Rennrad, Gravelbike, Trekkingbike, Tourenrad, Urbanbikes. Alle Modelle kannst Du vollstĂ€ndig konfigurieren, erst danach wird Dein Esel zusammengebaut.

→ my-esel.com*

Urwahn

Urwahn E-Bikes

E-Bikes aus dem 3D Drucker, Made in Germany. Beim Material setzen die Magdeburger vollstĂ€ndig auf Stahl – Durch die 3D-Drucktechnik wiegen die Bikes aber trotzdem nicht mehr als ein gĂ€ngiges Alu und Carbon-Fahrrad. Der Rahmen hat ein einzigartiges Design, der Knick an der Stelle, wo eigentlich das Sattelrohr ist, sieht ungewöhnlich aber geil aus – Die Urwahn-Modelle sind echte Schönheiten und ziehen in Kombination mit den wunderschönen Farben sicher fĂŒr Aufsehen. Nach dem Urbanbike, dem Roadbike gibt es seit diesem Jahr auch ein Gravelbike mit dem klangvollen Namen „Waldwiesel“. Wermutstropfen dĂŒrfte fĂŒr viele der Preis sein – Alle Modelle liegen nĂ€mlich jenseits von 3.000 Euro. Das Waldwiesel schlĂ€gt mit saftigen 4.500 Euro zu Buche. In Aktion kannst Du das Gravelbike auf dem YouTube-Kanal „Die Fahrradfanatiker“ anschauen. Wer aber das Geld hat, bekommt hier nachhaltige FahrrĂ€der mit einzigartigem Design.

→ urwahn.com*

mosch.

Wir sind oben bereits auf den Ressourcenhunger von FahrrĂ€dern eingegangen. Als Antwort darauf hat das Team um Nikolaj Mosch auf der Eurobike 2023 ihr zirkulĂ€res Fahrradkonzept vorgestellt. Im Detail heißt das, dass die mosch-bikes aus wiederverwerteten Materialien gebaut werden. Anders als bei Refurbished Bikes endet der Kreislauf aber nicht, wenn Deine Nutzungszeit endet. DafĂŒr ist im Verkaufspreis ein Pfand eingerechnet, damit sich der Kreislauf immer weiter drehen kann. Das alles passiert in der eigenen Werkstatt in Wettenberg.

Volle Transparenz verspricht mosch-bikes und listet detailliert auf, welche Bauteile neu oder gebraucht verbaut wurden.
Das ist ein weiterer Unterschied zu generalĂŒberholten Bikes: Es gibt hier eine feste Modellreihe mit klar definierten Komponenten (bzw. auf selbem Ausstattungsniveau) fĂŒr die 3 Modelle Saya, Saya Comp und Saya Budget.

→ moschbikes*

ROSE

Der Direktversender aus Bocholt hat sich in den letzten Jahren zu einem echten Schwergewicht in der Fahrradbranche entwickelt. Niemand, der sich mit FahrrĂ€dern beschĂ€ftigt, kommt an dem klangvollen Namen vorbei. Durch den Direktvertrieb fallen ZwischenhĂ€ndler weg, trotzdem sind die Bikes auf den ersten Blick nicht gĂŒnstiger – Das eingesparte Geld fließt voll in das Produkt und wenn man dann die Details vergleicht, stellt man schnell fest, dass das Preis-Leistungs-VerhĂ€ltnis hier einfach stimmt.

Das Familienunternehmen montiert ausnahmslos alle FahrrĂ€der in Deutschland. Im Green Codex verpflichtet sich ROSE darĂŒber hinaus zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Die CO₂-Emissionen werden von Climatepartner ermittelt und besonders gut gefĂ€llt uns, dass hier nicht einfach kompensiert wird, sondern der Fokus auf der Einsparung von CO₂ liegt. Der Außenbereich der Firmenzentrale in Bocholt ist grĂŒn und insektenfreundlich gestaltet.

FĂŒr jeden VersandhĂ€ndler stellt sich die Frage nach dem Umgang mit Retouren. NatĂŒrlich muss es darum gehen so wenig Retouren wie möglich zu haben, aber wenn es passiert, muss man damit verantwortungsbewusst umgehen. ROSE ist in diesem Bereich mit dem Siegel „Save your Returns“ zertifiziert.

→ rose.de*

Kalkhoff  / FOCUS

Derby Cycle wurde 2022 in die Kalkhoff Werke umfirmiert und konzentriert sich kĂŒnftig auf die beiden Marken Kalkhoff (E-Bikes) und FOCUS (Performance Bikes)

Die Kalkhoff Bikes rollen seit MĂ€rz 2022 vom Band in der neuen Montagehalle in Cloppenburg. Wir begrĂŒĂŸen diesen Schritt sehr und freuen uns, eine Traditionsmarke Made in Germany zu haben (zumindest dem Made in Germany Gedanken so nahe wie möglich kommt). Die Rohrahmen stammen aus Asien und werden in Deutschland bearbeitet und veredelt.

Da bei FOCUS nicht pauschal „Made in Germany“ die Rede ist, gehen wir davon aus, dass nicht das gesamte Sortiment in Deutschland montiert wird.

Das Unternehmen gehört zur niederlĂ€ndischen PON Holding (ebenso, wie z.B. Cannondale, Gazelle, GT). Genaues ĂŒber Nachhaltigkeit findet man dort nicht, lediglich die Information, dass alle Angestellten in den USA 1 % der jĂ€hrlichen Arbeitszeit fĂŒr ein freiwilliges Projekt ihrer Wahl verwenden dĂŒrfen und dass die PON Holding es alleine schon fĂŒr nachhaltig hĂ€lt, FahrrĂ€der im Portfolio zu haben.


Winora / Haibike

Schweinfurt – unweit meiner alten Heimat und gerade mal einen Steinwurf von der Europazentrale von SRAM entfernt sitzt seit 1921 die Winora Group, wo neben der Marke Winora auch Haibike beheimatet ist. Mittlerweile gehört das Unternehmen zur niederlĂ€ndischen Accel Group (unter anderem auch Marken, wie Ghost und Babboe)

Zwar findet wohl in Schweinfurt auch eine Endfertigung statt, aber da das Unternehmen nur von „Entwicklung, Konstruktion und Gestaltung: Made in Germany“ spricht, mĂŒssen wir davon ausgehen, dass auch andere Produktionsstandorte FahrrĂ€der der beiden Marken herstellen. Die Accell Group beitreibt neben Deutschland auch ProduktionsstĂ€tten in den Niederlanden, Frankreich, Finnland, Belgien und Ungarn. In jedem Fall können wir also von Europa ausgehen.

Accell berichtet sehr transparent ĂŒber alle Aspekte der Nachhaltigkeit. Von fairer Bezahlung, Reduktion von CO₂ und MĂŒlltrennung bis hin zum verantwortungsvollen Umgang mit Chemikalien im eigenen Unternehmen als auch bei Zulieferern


CUBE

CUBE ist eine Tochter der Pending Manufaktur, die eher bekannt fĂŒr hochwertige BĂŒrostĂŒhle sind. Das Unternehmen ist seit seiner GrĂŒndung 1992 in Familienbesitz und hat seitdem einen rasanten Aufstieg hinter sich. CUBE Flagship-Stores in vielen StĂ€dten, ein starkes Preis-Leistungs-VerhĂ€ltnis und eine fortschrittliche Modellpolitik hat die Marke mit 500.000 produzierten Bikes pro Jahr auf Platz 1 der deutschen Fahrradhersteller gebracht.

Die LaufrĂ€der und ein Großteil der FahrrĂ€der werden im Werk in Waldershof montiert. 2016 wurde hier ein Produktions- und Logistikzentrum gebaut und 2018 noch einmal auf insgesamt 55.000 Quadratmetern erweitert.

Einige Schutzbleche und Flaschenhalter werden mittlerweile auf recyceltem Kunststoff hergestellt und die Kartons aus Recyclingkarton. Das BĂŒrogebĂ€ude wird mit Solarstrom betrieben.

So weit, so gut. Aber auch CUBE wurde in dem Zeit-Artikel ĂŒber schlechte Arbeitsbedingungen in Kambodscha namentlich erwĂ€hnt. Auf unsere Nachfrage bestĂ€tigte das Unternehmen, dass einige Modelle im gĂŒnstigen Preissegment bei SmartTech produziert werden und beruft sich auf das Audit der EU.

Wir finden es schade, dass sich CUBE hier nicht klar bekennt und offen kommuniziert, welche Bikes konkret in Kambodscha produziert werden, so bleibt leider ein bitterer Nachgeschmack, denn gegen ein CUBE Bike aus dem deutschen Werk ist absolut nichts einzuwenden.

Stevens

Stevens ist ebenfalls eigenstÀndig und zÀhlt zu den beliebtesten Marken in Deutschland. Produziert wird seit 1994 hauptsÀchlich in Deutschland und Europa (insgesamt 85 %).

2019 hat Stevens seinen wichtigsten Produktionsbetrieb Paulsen Bikemontage bei OsnabrĂŒck ĂŒbernommen und fĂŒhrt diesen unter dem Namen Stevens Produktion GmbH weiter. Das ist jetzt erst mal keine Neuerung, die FahrrĂ€der liefen schließlich schon immer hier vom Band. Vielmehr ist das als klares Bekenntnis zum Produktionsstandort Deutschland zu verstehen. Über 50 % der Stevens Bikes werden hier aktuell montiert.

Daneben gibt es einen Partnerbetrieb in SĂŒd-Ost Europa und die Fahrradmodelle im gĂŒnstigen Preissegment / Einsteiger-Bikes werden in Asien gefertigt. Stevens gibt an, den Betrieb regelmĂ€ĂŸig zu besuchen und man achtet hier besonders auf die Arbeitsbedingungen und auf die Einhaltung von Umweltstandards.

Auf Nachfrage unsererseits hat Stevens bestĂ€tigt, dass sie in KĂŒrze mehr Daten bzgl. CSR zu veröffentlichen. Wir freuen uns darauf!

→ stevensbikes.de

Centurion / Merida

Die Baden-WĂŒrttemberger Traditionsmarke Centurion hat den taiwanischen Hersteller Merida ĂŒbernommen und ist damit ein Schwergewicht in der Branche geworden. Da ist es nicht ĂŒberraschend, dass auch die Produktion in Taiwan sitzt. Die E-Bikes werden allerdings mittlerweile in Deutschland hergestellt.

An der Spitze von Merida sitzt seit Januar 2023 der Enkel des FirmengrĂŒnders – Wir haben es also auch hier mit einem familiengefĂŒhrten Unternehmen zu tun – Er leitet bereits Umweltschutzreformen ein, um Merida nachhaltiger zu machen. Das möchten wir an der Stelle honorieren, da wir das so von noch keinem PrĂ€sidenten gehört haben.

Kreidler / vsf Fahrradmanufaktur, Rabeneick, ebike Manufaktur

Die Cycle Union hat im Dezember 2022 genau wie die Mutter Prophete Insolvenz angemeldet. Mir blutet das Herz, schließlich habe ich hier vor vielen Jahren meine Ausbildung gemacht. Ein mehrmonatiger Produktionsstopp aufgrund einer Cyberattacke war wohl ein wesentlicher Grund fĂŒr die Insolvenz. 

Update: Mittlerweile konnte ein Investor gefunden werden. Die Marken Kreidler, vsf und Rabeneick werden jetzt in der New Cycle GmbH gefĂŒhrt. 

 

Diese Fahrradhersteller haben dringendem Nachholbedarf:

Wenn man sich die Eigenauskunft und das Engagement anschaut, mĂŒssen wir leider sagen, dass einige Hersteller ganz schön aufholen mĂŒssen.

Cannondale

cannondale fahrradDie US-Marke hat den Fokus seit der GrĂŒndung 1971 auf Aluminium und Carbon gelegt, als Stahl noch der Marktstandard war. Hier macht den Amerikanern niemand etwas vor. 2010 wurde ein Großteil der Produktion nach Taichung (Taiwan) verlegt. 2021 wurde Cannondale und die Schwestermarke GT Bikes vom kanadischen Konzern Dorel an die niederlĂ€ndische PON Holding verkauft. Hier hat die Traditionsmarke auch neue Geschwister aus Deutschland bekommen. Zum Beispiel FOCUS und Kalkhoff. Verbindliche Informationen ĂŒber Nachhaltigkeit findet man bei PON leider nicht, nur AllgemeinplĂ€tze und das Hervorheben, dass neben Automobilimporten auch FahrrĂ€der als nachhaltiges Fortbewegungsmittel im Portfolio sind – Na ja.

Wenn Kalkhoff und Cannondale in derselben Holding sind, warum schieben wir also Cannondale in diese Kategorie und Kalkhoff steht oben? Weil Kalkhoff ein klares Bekenntnis zu Made in Germany gibt und Cannondale selbst gar keine Nachhaltigkeit-Vision hat und noch nicht mal verrĂ€t, wo genau der „nicht Großteil“ produziert wird. Da die 3 großen Fahrradfabriken in Kambodscha alle von taiwanesischen Unternehmen gegrĂŒndet wurden, mĂŒssen wir davon ausgehen, dass auch Cannondale hier produzieren lĂ€sst.
→ Cannondale bei idealo vergleichen*

Specialized

specialized fahrradTja, in unserer ursspĂŒnglichen Bewertung fanden wir wenigstens ein vages Bekenntnis zur Nachhaltigkeit auf der Webseite.
Darin stand, dass Specialized versucht, einen kleinstmöglichen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. Also MĂŒllvermeidung, RecyclingfĂ€higkeit, verantwortungsvoller Umgang mit Wasser, faire Bezahlung und Behandlung an den Produktionsstandorten. Die Inhalte der Seite /Sustainability sind mittlerweile gelöscht. Also auch fĂŒr Specialized scheint Nachhaltigkeit eine untergeordnete Rolle zu spielen. Produziert wird ein Großteil der FahrrĂ€der von SpeedTech in Kambodscha.

Das ist besonders irritierend, da Specialized Bikes bei vergleichbarer Ausstattung deutlich teurer als andere Marken sind. Bei gĂŒnstigeren Modellen, die dann etwa auf dem Preisniveau von deutschen Marken sind, werden gerne mal echte Schrott-Teile verbaut. Kleine Anekdote: Mein FahrradhĂ€ndler hĂ€tte mir damals das Gravel-Einsteiger-Modell der Diverge Serie nur verkauft, wenn er andere Bremsen hĂ€tte montieren dĂŒrfen. Er weigerte sich strikt, mir die Serienausstattung anzubieten.
→ Specialized Modelle bei idealo vergleichen*

Trek

Der US-Hersteller streitet sich mit Giant regelmĂ€ĂŸig um den Titel „grĂ¶ĂŸter Hersteller der Welt“. Mittlerweile gehört auch die DDR Traditionsmarke Diamant zum Unternehmen und wird wie alle anderen Trek-FahrrĂ€der in Asien produziert (aktuell wird die Produktion von China nach Kambodscha verlegt). Trek unterstĂŒtzt „World Bicycle Relief“ und versorgt Unternehmer, Gesundheitspersonal und SchĂŒler in lĂ€ndlichen Regionen Afrikas mit speziell an die Umgebung angepassten FahrrĂ€dern.
→ Trek Bikes bei radonline.de*

Giant

giant fahrradFast schon dreist gibt sich der weltgrĂ¶ĂŸte Hersteller aus Taiwan bezĂŒglich der Nachhaltigkeit. Vor ein paar Jahren war immerhin noch die Rede vom starken Engagement in der World Bicycle Relief. Heute finden wir auf der Webseite einen Zweizeiler:

Respect the Planet – Wir sind bestrebt, möglichst wenig Spuren zu hinterlassen und das Radfahren als verantwortungsvolle, nachhaltige TĂ€tigkeit zu fördern.

WOW!
Über die Produktionsstandorte wissen wir lediglich, dass das börsennotierte Unternehmen in China, Taiwan und in den Niederlanden produziert. Die Transparenz finden wir fast schon erschreckend, schließlich laufen hier jĂ€hrlich 6 Mio. Giant und Liv Bikes vom Band. Dazu kommen noch Fremdmarken, fĂŒr die Giant ebenfalls produziert und auch als Zulieferer tĂ€tig ist.
→ Giant Bikes bei idealo vergleichen*

Bulls

Die Fahrradmarke ist noch recht jung, aber schon sehr bekannt. Das liegt daran, dass von der ZEG Zweirad Einkaufsgenossenschaft vertrieben wird – also auf einen sehr prĂ€senten Partner im Fahrradhandel zurĂŒckgreifen kann.

Leider gibt der Hersteller gar keine nÀheren Informationen zum Thema Nachhaltigkeit. Wo Bulls produzieren lÀsst, ist unbekannt. Genau wie Cube, sind auch Bulls FahrrÀder bei den Recherchen der Zeit in Kambodscha aufgetaucht.

Nachhaltige FahrrĂ€der von „Underdogs“

Wer in den nÀchsten Fahrradladen geht, wird diese Marken hier nicht oder nur schwer finden. Dennoch möchten wir sie hier vorstellen.

Utopia Velo

Die charakteristischen Kreuzrahmen sind sicher gewöhnungsbedĂŒrftig, aber irgendwie auch cool. Utopia Velo sitzt im Saarland, wo auch die gesamte Produktion stattfindet. Die Rahmen kommen nicht, wie bei vielen anderen, aus Taiwan, sondern werden in den Niederlanden produziert. Stahl benötigt zur Herstellung ĂŒbrigens weniger Energie als Aluminium oder Carbon und ist damit neben Bambus ein nachhaltiges Material fĂŒr FahrrĂ€der. WĂ€hrend viele FahrrĂ€der auf dem Markt nur ein maximales Gewicht von 100-120 kg zulassen, eignen sich die robusten Utopia Velo Modelle fĂŒr große und schwere Personen bis 200 kg. Also keine Ausreden mehr! Die 5 Modelle gibt es in verschiedenen Ausfertigungen, unter anderem auch jeweils als Pedelec. FĂŒr alle, die ein gĂŒnstiges gebrauchtes Fahrrad bevorzugen, hat Utopia Velo eine eigene Gebrauchtwagenbörse.
Kaufen kannst Du die Utopia Velo Modelle bei einem VertragshĂ€ndler oder online ĂŒber auf utopia-velo.de

Patria

FahrrĂ€der aus Stahl – Made in Germany. Der Nachteil an Stahl ist das Gewicht. Wer aber sein Fahrrad nur selten Treppen hoch- oder runtertragen muss, kann das getrost vernachlĂ€ssigen. WĂ€hrend der Fahrt macht das Gewicht eines Alltagsfahrrades kaum einen Unterschied. Patria produziert seit mehr als 15 Jahren in Leopoldshöhe. Vom Rahmen bis zur Endfertigung alles aus einer Hand und damit mit kurzen Transportwegen. Sogar E-Bikes und LastenfahrrĂ€der werden hier mittlerweile gebaut. Über den Konfigurator kannst Du Dir Dein Wunschrad zusammenstellen oder Du schaust bei einem FachhĂ€ndler vorbei.

 

Fazit

100% nachhaltige FahrrĂ€der gibt es nicht. Das liegt vor allem an der langen Lieferkette und den vielen Bauteilen. Trotzdem ist das Fahrrad das nachhaltigste und umweltfreundlichste Fortbewegungsmittel. Und wer einmal auf 2 RĂ€dern durch atemberaubende WĂ€lder geheizt ist, das Adrenalin beim durchschlĂ€ngeln auf wunderschönen Trails gefĂŒhlt hat, das Euphoriefestival nach einer fordernden Fahrt auf den nĂ€chsten Gipfel erlebt hat und dabei seine Lungen mit großartiger Luft geflutet hat, der weiß, dass Biken der geilste Sport von hier bis nach Feuerland ist.

Gebrauchte FahrrÀder

Wie in allen Bereichen gilt auch hier: Gebraucht ist nachhaltiger als neu. Hier stellen wir Dir einige Onlineshops fĂŒr gebrauchte FahrrĂ€der vor.

Was kann ich, als Biker noch tun, um mehr Nachhaltigkeit in mein Hobby zu bringen?

  • Kaufe ein hochwertiges Bike (Bikes vom Discounter oder aus dem Baumarkt sind Wegwerfartikel!)
  • Kaufe nachhaltige Outdoor Mode und AusrĂŒstung (zum Beispiel hier)
  • Verwende biologisch abbaubare Schmiermittel. Etwa das auf Wasser und Wachs basierende Squirt Chain Lube*. Das benutze ich selbst und bin restlos begeistert. Sehr ergiebig und schont meine Kette, ist unfassbar leise und meine Ritzel machen nach knapp 10.000 km  noch nicht den Eindruck verschlissen zu sein (normal sind die nach 5000 km, ja durch)
  • Pflege Dein Bike, damit es lange hĂ€lt
  • Versuche Dein altes Bike zu verkaufen und wirf es nicht einfach auf den MĂŒll.
  • Verhalte Dich im Wald wie ein Gast, nicht wie ein Wilder.
  • Bringe gebrauchte SchlĂ€uche zu Deinem FahrradhĂ€ndler zurĂŒck. Schwalbe hat ein Recyclingprogramm – dabei ist es völlig egal, von welchem Hersteller Dein Schlauch ist. Hier kannst Du nach teilnehmenden HĂ€ndlern in Deiner Stadt suchen.

Wir haben den Artikel im Februar 2023 ĂŒberarbeitet. Hierzu haben wir erneut recherchiert, wie die Fahrradhersteller das Thema Nachhaltigkeit heute definieren, wo sie aktuell produzieren. Außerdem haben wir uns tiefer mit dem Niedriglohnland Kambodscha beschĂ€ftigt, das sich zum Big Player bei der Fahrradherstellung entwickelt hat. Wir haben zudem mit einigen Herstellern Kontakt aufgenommen, um offene zu Fragen zu klĂ€ren. Das alles hat dazu gefĂŒhrt, dass wir die Hersteller heute grundlegend anders bewerten. So haben die deutschen Hersteller krĂ€ftig aufgeholt, wĂ€hrend – so scheint es – die internationalen Marken ihre Nachhaltigkeitsziele nahezu auf null heruntergefahren haben.

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2 Gedanken zu „Nachhaltige FahrrĂ€der. Wie nachhaltig sind Fahrradhersteller?“

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