Adidas ist die deutsche Kultmarke schlechthin, wir Marketing-Fraggles sprechen von einer Lovebrand. Aber wie viel Liebe steckt tatsächlich in den drei Streifen? Wie definiert Adidas Nachhaltigkeit? Nachhaltige Sneaker und Fair Fashion Labels zu finden ist heute kein Problem, bei Sportartikeln, besonders bei Sportschuhen spielen aber auch immer andere Faktoren eine wichtige Rolle und genau deshalb wollen wir hier das Schwergewicht genauer unter die Lupe nehmen. Also, Schnürsenkel fest ziehen und los gehts.
So sieht bei Adidas Nachhaltigkeit aus
Für Adidas gehört Nachhaltigkeit nicht zum Markenkern. Wie die meisten „alten“ Traditionsunternehmen definiert sich Adidas nicht über Nachhaltigkeit. Das bedeutet aber nicht, dass das Thema gar keine Rolle spielt. Bei Adidas nimmt Nachhaltigkeit einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Die To-Do Liste ist lang, aber der Konzern hat die Hebel bereits umgelegt und wird seit Jahren immer nachhaltiger. Wenn wir also die Adidas Nachhaltigkeit fair bewerten wollen, müssen wir verstehen, dass ein globales Unternehmen mit verkrusteten Strukturen nun mal nicht von heute auf morgen mit einem Fingerschnips nachhaltig wird.
Materialien
Adidas bezieht Baumwolle von der Better Cotton Initiative und ist sogar einer der Gründungsmitglieder. Wir halten von der BCI gar nichts. Ein undurchsichtiges Geflecht aus zum Teil umgelabelter Baumwolle irgendwo aus dem nirgendwo. Damit stehen wir nicht alleine, sogar die Bundesregierung zweifelt die Nachhaltigkeit der BCI und bewertet die Organisation aktuell neu. (Quelle: Siegelklarheit.de). Bio Baumwolle kommt leider gar nicht zum Einsatz, was hinsichtlich des Ressourcenverbrauchs (Wasser) und der Umweltbelastung (Pestizide) schlecht ist.
Viele Produkte bestehen aus Leder. Adidas ist Mitglied der Leather Working Group. Diese Multi-Stakeholder-Initiative legt ökologische Kriterien fest: Keine Abholzung des Amazonas, Kriterien für Fleischpacker, Grenzwerte für giftige Chemikalien, Verbot mancher Chemikalien. Soweit ganz gut – Nicht berücksichtigt werden hingegen Löhne, Arbeitszeiten, Schulungen und Sicherheit / Gesundheit am Arbeitsplatz. Wir sind skeptisch, wie bei allen Selbstverpflichtungen der Industrie und würden bestenfalls von „Ein erster Schritt“ sprechen. Eine unabhängige Bewertung von zum Beispiel Siegelklarheit.de gibt es aktuell noch nicht. Auch Inkota (Kampagne für saubere Kleidung) ist nicht überzeugt (Seite 15, Ratgeber Gute Güte)
Positiv hingegen ist:
Recyceltes Polyester wird schon heute zum Teil (50 %) eingesetzt. Bis 2024 will Adidas nur noch recyceltes Polyester verwenden
Polystyrol wird im Fersenbereich zur Verstärkung eingesetzt (Fersenkappe) Diese besteht bei Adidas zu 50% aus recycelten Lebensmittelverpackungen
Produktionsstandorte und Arbeitsbedingungen
Satte 570 Zulieferer und Produktionsstandorte zählt Adidas auf der ganzen Welt. Schön ist, dass alles im Open Apparel Registry aufgeführt ist. 73 % stammen aus Asien, 17 % aus Nord und Südamerika und nur 9 % liegen in der EU. Dennoch: Adidas lässt sich immerhin in die Karten schauen. Leider sagt diese Karte nichts über die Arbeitsbedingungen aus. Darauf finden wir aber Antworten im Fortschrittsbericht des Textilbündnisses.
Das Textilbündnis
Die wohl wichtigste Säule bei Adidas für Nachhaltigkeit ist wohl die Mitgliedschaft im Bündnis für nachhaltige Textilien (textilbuendnis.com). Grund für uns, das mal genauer anzuschauen.
Entstanden ist das Textilbündnis als Reaktion auf den Fabrikeinsturz in Rana Plaza. Entwicklungsminister Gerd Müller hat das Ganze angeschoben und setzte auf Freiwilligkeit der Unternehmen – das hat sich bis heute nicht geändert. Viele echt nachhaltige Unternehmen, wie zum Beispiel Vaude, hessnatur, Lanius, Waschbär und auch GOTS sind ebenfalls Mitglied, das schafft erst mal Vertrauen, aber auch schwarze Schafe wie Primark gehören dazu. Die Mitgliedschaft alleine sagt also erst mal gar nichts aus.
Mitglieder müssen eine Roadmap vorlegen, was sie konkret in den nächsten Jahren planen. Dabei geht es zum Beispiel um den Umgang mit Chemikalien oder Beschwerden seitens der Arbeiter*Innen oder um faire Löhne. Einigen war das schon zu viel Aufwand (zum Beispiel: ernstings family) andere haben sich mehr erhofft (etwa Hersteller Cotonea Heimtextilien und der Sportbekleidungshersteller MDC, der aus Protest gegen die Aufnahme von Primark ausgetreten ist) und so haben mittlerweile 70 Unternehmen das Bündnis bereits verlassen. (weiterführende Informationen im Artikel „Freiwillige Standards reichen nicht“ auf deutschlandfunk.de)
Große Unternehmen, wie Zalando, Karstadt, Peek & Cloppenburg und Whörl waren nie und werden wohl auch keine Mitglieder.
Die NGO’s Human Rights Watch und die Kampagne für saubere Kleidung und das Ökoinstitut kritisieren die fehlende Transparenz (Quelle: csr-news.net)
Im Kern mag das Textilbündnis eine gute Idee sein, aber es ersetzt eben keine gesetzlich verbindlichen Kriterien – Stichwort Lieferkettengesetz. Trotzdem wäre es falsch, das Bündnis als Greenwashing zu bezeichnen.
Vielleicht fragst Du Dich jetzt „Wo liegt der Unterschied zum Grünen Knopf?“
Der Grüne Knopf ist praktisch das Endverbraucherlabel und das erhalten die Mitglieder, die schon einen entsprechenden Fortschritt vorweisen können. Also eine vereinfachte Darstellung für uns.
Der Adidas Fortschrittsbericht 2019
Die Mitgliedschaft alleine ist kein Beleg für Nachhaltigkeit – wichtig ist, sich den Fortschrittsbericht genauer anzuschauen. Der Reviewprozess wurde überarbeitet und startet in seiner neuen Form 2021. Wegen Corona hat sich das alles verzögert, weshalb der 2019er-Report noch der aktuelle ist.
Von den 10 Meilensteinen auf der Roadmap hat Adidas bereits 5 Punkte voll erfüllt (Roadmap als PDF)
Einsatz von Chemikalien
Seit 2014 ist Adidas Bluesign® Partner. Im Kern bedeutet das, dass Adidas keine umweltschädlichen Chemikalien verwendet. Kontrolliert wird hierbei die gesamte Lieferkette.
Adidas hat außerdem das Greenpeace Detox Abkommen unterzeichnet und setzt kein PFC mehr ein.
Hier kann man also auf ganzer Linie sagen: Adidas ist auf dem richtigen Weg!
Arbeitsbedingungen
Adidas arbeitet mit Better Work zusammen. Dieses Programm will die Einhaltung von Standards UND die Wettbewerbsfähigkeit gleichermaßen im Auge behalten. Das klingt etwas widersprüchlich und wir können uns auch nicht vorstellen, dass beides unter einen Hut zu bekommen ist. Dennoch arbeitet hier die IAO, eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, mit International Finance Corporation (IFC) zusammen. Wir wissen ehrlich gesagt noch nicht, was wir von diesem Schulterschluss halten sollen.
Also werfen wir einen Blick auf die Bewertung von Goodonyou.eco. Insgesamt wird Adidas hier mit einer „GOOD“ Bewertung geführt. Beim Punkt Planet erreicht der Konzern 4 von 5 Punkten, bei Mensch und Tier aber nur 3 von 5. Hier versteckt sich also das größte Potenzial, um in unseren Augen als 100 % nachhaltig betrachtet werden zu können. Aber es ist auch nicht richtig schlecht, muss man fairerweise sagen.
Faire Löhne?
Adidas setzt sich bei den Regierungen für die Einführung und bei Lieferanten für die Einhaltung von Mindestlöhnen ein. Leider ist Mindestlohn nicht gleich Existenzlohn. Noch immer gibt es hier einen Unterschied. Und Adidas hat noch keine nennenswerten Schritte unternommen diese Lücke zu schließen. Quelle: Public Eye
Sponsoring von Spitzensport
Ein Thema, das wir natürlich auch nicht vergessen dürfen. Zwar wollen wir nicht den Nachhaltigkeit-Aspekt von Sponsorings beleuchten, aber die Frage nach dem Gleichgewicht zwischen Sponsorings in Milliardenhöhe und fairen Löhnen muss sich Adidas gefallen lassen. Schließlich ist der Verzicht auf Werbung bei vielen nachhaltigen Labels der Hauptgrund, warum faire Löhne gezahlt werden können, die Produkte aber trotzdem nicht wesentlich teurer als die von Adidas sind. Irgendwer muss den Preis ja bezahlen. Da bekommt ein Adidas Schuh schon einen bitteren Beigeschmack, finden wir. Schließlich muss man sich selbst die Frage stellen „Will ich mit meinem Kauf wirklich das Vermögen von Multimillionären aufbessern, oder finde ich es fairer, wenn auf der gesamten Lieferkette bessere Löhne gezahlt werden?“
Adidas Nachhaltigkeit: einzelne Produkte / Kollektionen
Im Folgenden möchten wir Leuchtturmprodukte vorstellen, bei denen wir, bei Betrachtung der oben genannten Punkte durchaus von nachhaltigen Produkten sprechen können.
FUTURECRAFT.LOOP
Mit diesem neuen Schuh widmet sich Adidas einem der großen Probleme: die Recycelbarkeit. Alle Schuhe, egal ob fair produziert oder nicht, stehen vor dieser Aufgabe. Schließlich besteht ein Schuh aus so vielen unterschiedlichen fest miteinander verklebten Komponenten, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus nicht getrennt entsorgt werden können und so sind alte Schuhe nur was für den Restmüll.
Der Futurecraft Loop ist ein Performance-Laufschuh, der vollständig recycelt werden kann. Das ist ein echter Meilenstein und wir freuen uns, dass ein global Player wie Adidas sich diesem Problem annimmt. Das Obermaterial besteht aus einem biologisch abbaubaren Faser (Biosteel®), die nicht nur umweltfreundlicher ist, sondern auch noch um 15 % leichter ist, als herkömmliche Synthetikfasern. Also hier trifft Nachhaltigkeit auf Performance. 2021 soll er dann endlich auf den Markt kommen – Wir sind gespannt. Mehr zum Entwicklungsstatus findest Du auf adidas.com*
Anmerkung: Auch Ethletic entwickelt übrigens in diese Richtung.
Primeblue (Adidas X Parley)
Unter dem Label Primeblue, findest Du Produkte, die zum Teil aus recyceltem Plastik bestehen. Der gesamte Anteil ist aber sehr gering: So besteht das Obermaterial des Ultraboost zu 50 % aus Textil und davon wiederum sind 75 % aus recyceltem Plastik. Besser als nichts, aber in der Summe doch etwas wenig. Die Zusammenarbeit mit der Umweltorganisation Parley for the Ocean besteht seit 2015 und kommt nicht nur bei Schuhen zum Einsatz.
→ Zur Primeblue Kollektion auf adidas.de*
Clean Classics
Unter dem Label Primegreen führt Adidas die Produkte, die zu 50 % aus Recyclingmaterial und einem Gummi aus 90 % Naturkautschuk und 10 % recyceltem Gummi bestehen. Außerdem werden durch ein spezielles Schnittmuster Abfälle bei der Produktion minimiert. Neben Schuhen gibt es aber auch Sportbekleidung unter diesem Label.
→ Zur Primegreen Kollektion auf adidas.de*
Fazit: Wie nachhaltig ist Adidas?
Adidas ist auf dem richtigen Weg und hat schon vieles bezüglich Nachhaltigkeit umgesetzt.
Bei Streetwear und Sneaker empfehlen wir dennoch andere Marken, die einfach schon viel weiter sind, weil sie durchweg Bio Materialien verwenden, transparenter sind und nachvollziehbar faire Arbeitsbedingungen haben. Gerade bei Sportartikeln und insbesondere bei Schuhen, wo die Alternativen noch rar gesät sind und es nun mal auf Passform und Funktionalität ankommt, kannst Du ruhig zu Adidas oder Reebok greifen. Adidas – Nachhaltigkeit sind zwei Begriffe, die sich nicht ausschließen!
Anmerkungen:
Reebok: Update, 13.08.2021: Reebok wurde an den US-Konzern Authentic Brands verkauft und reiht sich jetzt bei Marken wie Tretorn, Volcom aber auch der Fast Fashion kette Forever 21 ein. Der Konzern selbst verfolgt keine eigene Nachhaltigkeitsstrategie – Das übernehmen die einzelnen Marken selbst. Wie sich das auf die Entwicklung von Reebok auswirkt, können wir aktuell nicht einschätzen, halten aber unsere Augen offen.
Bildquellen: Alle Fotos und Logos stammen von Adidas
Wir leben in einer Zeit, in der wir auf nichts verzichten müssen und trotzdem nachhaltig leben können. Das einzige, was wir tun müssen ist, den Blickwinkel zu ändern und unsere Prioritäten gerade rücken.