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Verbote und der Mythos der verlorenen Freiheit

„Wir können uns doch nicht alles verbieten lassen!“ Das ist der Spruch, der fast schon reflexartig bei vielen Menschen kommt, sobald über Verbote diskutiert wird. „Immer alles verbieten, das behindert den Fortschritt – Mit Verboten landen wir bald wieder im Mittelalter“, gar von Verbotskultur oder Diktatur wird gesprochen. Egal, ob bei Umweltthemen, Mobilitätsfragen oder sozialen Themen – Die Diskussion ist immer dieselbe.

In letzter Zeit sehen wir immer häufiger ein merkwürdiges Phänomen: Man nutzt die Angst vor drohenden oder auch nur vermuteten Verboten, um eigene durchzusetzen, nennt das aber dann ideologiefrei. Bayerns bekanntester Bratwurst-Experte ist Fan dieser Strategie (Stichwort: Genderverbot)

Tatsächlich sind Verbote ein wesentlicher Bestandteil unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Warum Verbote wichtig sind und eigentlich sogar richtig toll möchten wir hier erzählen.

Verbote haben unsere Gesellschaft erst überlebensfähig gemacht.

Die meisten Verbote, die wir heute haben, sind notwendig. Ohne sie hätte sich unsere Gesellschaft in anarchistischer Tobsucht längst selbst zerfleischt.

Der Mensch ist egoistisch. Das ist erst mal wertfrei zu sehen, denn letztendlich hat uns unser Egoismus dahin gebracht, wo unsere Spezies heute steht. Alles, was wir tun, tun wir aus egoistischen Motiven. Der Überlebenskampf ist die Reinform des Egoismus.

Aber der Mensch ist auch expansiv. Und das ist eine gefährliche Mischung. Genau dann, wenn der Egoismus des Einzelnen das Wohl der Gemeinschaft bedroht, müssen Verbote her. Im Folgenden einige Beispiele, die klar belegen, dass Verbote unsere Gesellschaft weiterentwickelt haben und keinesfalls rückständig sind.

Die Gurtpflicht

Ich bin mit den „Gurt Klick immer“ Aufklebern aufgewachsen. Damals war mir die Anzahl der Gummibärchen in der Tüte wichtiger als Verkehrspolitik, aber es gab auch Menschen, die argumentiert haben „Ich lasse mir doch nicht vorschreiben, mich in MEINEM Auto anzuschnallen – Das ist MEINE Freiheit und die lasse ich mir nicht verbieten“, weil man es als unbequem empfand.
Können wir uns heute darauf einigen, dass die Gurtpflicht Leben gerettet hat?

Helmpflicht für Motorradfahrer.

Bleiben wir noch etwas im Straßenverkehr. „Ich lasse mir doch nicht vorschreiben, ob ich einen Helm aufsetze oder nicht“ tönte es damals von den Gegnern. Viel zu schön ist das Gefühl des Fahrtwindes in den Haaren. Hat die Helmpflicht Leben gerettet? Selbstverständlich hat sie das!

Die Schulpflicht

Gehen wir etwas weiter zurück und schauen uns die Schulpflicht an. Natürlich haben sich Menschen darüber beschwert: „Es sind MEINE Kinder und ICH entscheide, ob sie mir auf dem Feld helfen oder in die Schule gehen.
Hat die Schulpflicht unsere Gesellschaft weiter gebracht? Natürlich hat sie das!

Der Hitlergruß

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Deutschland der Hitlergruß verboten und auch das Leugnen des Holocaust. „Ich lasse mir doch nicht meine Meinung verbieten und schon gar nicht, wie ich jemanden grüßen möchte“ Damals wohl eher ein Protest hinter vorgehaltener Hand.
Hat uns dieses Verbot weiter gebracht? Natürlich – Es hat dazu beigetragen, dass wir international anerkannt sind – Wir haben Verbündete und sogar Freunde gefunden.

Mord und Diebstahl

Dann hätten wir noch so banale Verbote wie Mord und Diebstahl. Ohne Verbote könnte jeder einfach so in mein Haus eindringen und sich bedienen – natürlich könnte ich dem Einbrecher eine Ladung Schrot in sein Gesicht donnern – Oder er mir…
Ja, das kann man auf alle unsere Gesetze anwenden. Gesetze sind einfach notwendig, um unser gesellschaftliches Zusammenleben zu ermöglichen. Gesetze sind nichts anderes als Verbote.

Steuern

Würde niemand Steuern bezahlen, gäbe es unsere Gesellschaft nicht. Keine Spielplätze, keine Kindergärten, keine Schulen, keine Polizei, keine Feuerwehr, kein Sozialsystem. Und genau deshalb ist Steuerhinterziehung verboten. Man kann über Steuergerechtigkeit diskutieren, aber ich denke, wir alle sind uns einig: Steuern müssen sein.

Das sind nur einige wenige Beispiele, mit denen ich aufzeigen will:

Ohne Verbote würde das Gesetz des Stärkeren gelten – in allen Situationen. Wer dagegen ist, muss konsequenterweise für Anarchie sein.

Verbote sind visionär

Natürlich ist nicht jedes Verbot gut und sinnvoll. Viele sind aber richtig – Leider sind sie oft visionär – Sie beschäftigen sich mit zukünftigen Problemen, die für viele noch gar nicht sichtbar sind.

Stichwort Klimawandel. Für jedes Verbot, das wir heute mit all unserer Kraft verhindern, wird unsere nachfolgende Generation 3, 5 oder 10 Verbote hinnehmen müssen. Dann gibt es keine Wahl mehr, dann wird es eine Frage der Notwendigkeit sein.

Jede Einschränkung unserer Freiheit, die wir bis aufs Blut verteidigen, wird unsere nachfolgende Generation mit aller Härte treffen.

Verbote sichern die Freiheit von Morgen

Wenn Feinstaub unsere Lungen belastet und Gewässer mit Mikroplastik überschwemmt, dann brauchen wir Verbote. Wenn der Platz in Städten nicht für alle Autos reicht, dann müssen wir dringend über Verbote sprechen. Wenn Massentierhaltung barbarisch ist, dann muss sie verboten werden. Wenn Kindersklaven Kakaobohnen ernten, dann müssen wir diese Produkte verbieten. Wenn die Modeindustrie weltweit Flüsse mit giftiger Schlacke speist, dann müssen wir den Verkauf solcher Produkte verbieten. Wenn die schmutzigsten Kohlekraftwerke der Welt in Deutschland stehen, dann müssen sie abgeschaltet werden. Wenn uns Kohle- und Gasheizungen in eine Abhängigkeit zwingen, dann müssen sie verboten werden. Wenn Atomkraft gefährlich ist, dann muss sie abgeschaltet werden.

Es gibt tausende solcher Beispiele. Niemand wird dadurch eingeschränkt! Das Leben aller wird dadurch bereichert – Auch derer, die die Vorteile nicht sehen wollen.

Statt also bei der nächsten Verbotsdiskussion direkt Schaum aus den Mundwinkeln sabbern zu lassen, denke doch einfach mal nach, was Dich dieses Verbot wirklich kostet und was es Dir oder der Gesellschaft bringt.

Wir leben nämlich in einer Zeit, in der niemand auf irgendwas verzichten muss. Es genügt, den Blickwinkel etwas zu verändern.

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